Portrait Max Dätwyler 2014
Max Dätwyler in seinem Elternhaus an der Bahnhofstrasse in Altdorf, welches heute von der Musikschule Uri genutzt wird.
«Wenn du in einem Kanton wie Uri mit seinen 35’000 Einwohnern 1‘000 Mitarbeiter hast, und hinter jedem steckt eine ganze Familie, dann weisst du, was Verantwortung ist.»
Max Dätwyler
Dies erzählte Max Dätwyler anlässlich der 100-Jahr-Feier des Unternehmens 2015. Er hat diese Verantwortung sein Leben lang wahrgenommen und sicherte – gemeinsam mit seinem Bruder Peter – über eine einzigartige Nachfolgeregelung nicht nur das Weiterbestehen von Dätwyler als eigenständiges Unternehmen, sondern auch den Erhalt der Arbeitsplätze im Kanton Uri. Dass er ausgerechnet dies als grösste Leistung seiner Unternehmerkarriere bezeichnet, sagt viel über den Menschen Max Dätwyler aus.
Max Dätwyler kam am 29. Januar 1929 als zweites von drei Kindern von Adolf und Selina Dätwyler-Gamma in Altdorf zur Welt, wo er lediglich die Primarschule besuchte. Danach schickten ihn seine Eltern ans Gymnasium nach Trogen im Appenzell. Auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters studierte er anschliessend in Zürich Chemie, doktorierte ohne grosse Lust, aber sehr erfolgreich, machte parallel dazu einen Abschluss als Ökonom und stieg schliesslich ins Familienunternehmen ein: Ab 1961 leitete er die Dätwyler-Tochter Firestone in Pratteln, Baselland.
Erst mit 50 Jahren kehrte Max Dätwyler in den Kanton Uri zurück, wo er sich schnell wieder heimisch fühlte und vor allem mit Kunst- und Kulturschaffenden vernetzte. Wie sehr ihm der kleine Bergkanton immer am Herzen lag, bewies er aber bereits 1965, als die Dätwyler-Brüder dem Kanton zum 50-Jahr-Jubiläum der Firma den vielbeachteten Bildband «Uri – Land am Gotthard» schenkten.
Als Unternehmer trat Max Dätwyler ein schwieriges Erbe an. Vater Adolf Dätwyler war eine Lichtgestalt der Urner Wirtschaftsszene und verlangte von seinen Söhnen Peter und Max, sie sollten das Unternehmen in seinem Sinn und Geist weiterführen. Was das genau war, konnten diese allerdings nur erahnen. 1958 wandelten sie die Dätwyler AG in eine Holding um, was ihr Überleben als Firmengruppe sicherte, und expandierten kurz darauf ins Ausland. 1986 brachten sie Dätwyler an die Börse. 1990 zogen sie sich aus der operativen Führung zurück, und sicherten die Eigenständigkeit des Unternehmens mit einer einzigartigen Nachfolgeregelung, für welche sie auf wesentliche Vermögenswerte verzichteten. Bereits damals zählte die Unternehmensgruppe 3500 Mitarbeitende und erwirtschaftete einen Jahresumsatz von 700 Millionen Franken. Mit der Fokussierung auf hochwertige Dichtungskomponenten für die Health-Care- und die Automobilindustrie hatten die Gebrüder Dätwyler eine starke Basis für die globale Expansion gelegt.
Max Dätwyler war ein umsichtiger und verantwortungsbewusster Unternehmer, für den es immer auch etwas «jenseits von Angebot und Nachfrage» gab, wie er bis heute betont. «Diese Kultur der Familienunternehmung prägt bis heute alle Entscheide von Dätwyler, und sie drückt sich aus in ihren Werten», sagt auch Paul Hälg, von 2004 bis 2016 CEO und heute Verwaltungsratspräsident der Dätwyler Gruppe.
Seit seinem Rückzug aus dem operativen Geschäft 1990 ist es vor allem sein kulturelles Engagement, das Max Dätwyler umtreibt: Aus dem elterlichen Wohnhaus machte er ein Zuhause für die Musikschule Uri. Er initiierte und finanzierte das Haus für Kunst Uri und den Danioth-Pavillon. Damit öffnete er der Bevölkerung auch seine riesige Sammlung an Werken des grossen Urner Künstlers Heinrich Danioth. Die von ihm und seinem Bruder Peter ins Leben gerufene Dätwyler Stiftung trägt heute mit ihren jährlichen Vergabungen von 0.5 bis 1 Million Franken wesentlich zum kulturellen Leben Uris bei.
Für sein leidenschaftliches Engagement erhielt er 2002 das Ehrenbürgerrecht des Kantons Uri, 2008 die Altdorfer Ehrenmedaille und im Dezember 2012 den «Goldenen Uristier». Sein letztes grosses Engagement leistete Max Dätwyler zum 100-Jahr-Jubiläum von Dätwyler 2015: Er initiierte und begleitete die Firmengeschichte «Die Kraft der unscheinbaren Dinge» (Verlag NZZ). Der philosophisch anmutende Titel stammt – was nicht erstaunt – von ihm selber. Am 29. Januar 2019 feiert Max Dätwyler seinen 90. Geburtstag.