Die Widerstandskraft steht in direktem Zusammenhang mit der Kontaktfläche zwischen den Körpern. Diese besondere Wirkung entsteht dadurch, dass eine Oberfläche an der anderen haftet, wenn kein Schmiermittel vorhanden ist. Für das Verständnis der Adhäsionswirkung auf die Reibung ist das Konzept der realen Kontaktfläche das zentrale Element. Die scheinbare Kontaktfläche einer Dichtung kann durch Beobachtung der Kontaktgeometrie problemlos berechnet werden. Um jedoch zu ermitteln, in welchem Ausmass die anfänglich berechnete Kontaktfläche tatsächlich mit dem Gummi interagiert, muss die Oberflächenrauheit in Verbindung mit den intrinsischen Eigenschaften des Gummis analysiert werden.
Nehmen wir das Beispiel eines Schuhabdrucks, bei dem die gesamte Schuhsohle die nominale Kontaktfläche (A0) darstellt. Im Fall einer ideal flachen Oberfläche würde die Gummisohle die gesamte Schuhabdruckfläche bedecken. Wird die Oberfläche jedoch rau, macht die reale Kontaktfläche (A) nur noch ein Bruchteil der in der Abbildung mit den nassen Fussabdrücken dargestellten Fläche aus.
Anhand tribologischer Modelle kann der reale Kontakt zwischen interagierenden Körpern prognostiziert werden. Die besondere Herausforderung bei der Analyse von Gummikontakten besteht darin, dass kleine Änderungen von Temperatur, Geschwindigkeit und Dichtungsdruck beträchtliche Auswirkungen haben können. Dank einer genauen Bestimmung von Material und Oberfläche kann mit Hilfe der spektralen Leistungsdichte (PSD) aufgezeigt werden, dass die realen Kontaktzonen zwischen einer Gummidichtung und der Oberfläche um mehrere Grössenordnungen geringer ausfallen können als zunächst angenommen, wobei dies insbesondere bei Betrachtung der Mikrorauheit-Skalen zutrifft.
Gummi ist ausreichend flexibel, um mit den Mikrorauheiten einer Oberfläche zu interagieren. Abbildung 2 zeigt die profilometrische Analyse einer beliebig rauen Oberfläche. Nach Abschluss der PSD-Analyse werden die druckbedingten Veränderungen des Kontakts sichtbar. In Abhängigkeit vom ausgeübten Druck der Anwendung kann die Kontaktfläche zwischen einem Zehntel und einem Millionstel der nominalen (scheinbaren) Kontaktfläche variieren.
Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis kann die Wechselwirkung zwischen Gummi und Substrat durch Anpassung der Mischungsrezeptur gezielt verändert werden. Die abwechselnde Verwendung von Russ und Kieselerde als Füllstoffe in Reifen zur Anpassung an Sommer- oder Winterbedingungen ist in der Industrie üblich. Bei Dichtungsgummis verhält es sich nicht anders, denn von der Materialsteifigkeit bis hin zu selbstschmierenden Füllstoffen ist die Entwicklung von Mischungen das bevorzugte Gebiet, wenn es darum geht, das Reibungsverhalten zu beeinflussen.
Die genaue Erforschung des Reibungsverhaltens von Gummi ist sowohl in theoretischer als auch in experimenteller Hinsicht ein ambitioniertes Unterfangen. Das Dätwyler Entwicklungsteam nimmt die damit einhergehenden Herausforderungen gerne an. Die neuartigen T&I-Labore erlauben dank ihrer Fähigkeiten eine präzise Beschreibung der verschiedenen Oberflächen. Wir werden dadurch unser Verständnis für das Verhalten der Dichtung weiter verbessern und in der Lage sein, massgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln.
Autor
Eduardo Yanes Nunez
Manager Material Development