Der Übergang vom Verbrennungsmotor zum Elektroantrieb bietet OEM-Herstellern aus dem Mobilitätssektor grosse Chancen, birgt aber auch eine Reihe von Herausforderungen. Eine Herausforderung besteht darin, die Unversehrtheit und Sicherheit der Batterie zu gewährleisten. Damit werden zum einen die von den Verbrauchern geforderten grösseren Reichweiten erzielt und zum anderen kann die Industrie auf verlässliche Weise die Sicherheit von Fahrer und Insassen gewährleisten.
In den meisten Elektrofahrzeugen werden Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt. Daher besteht für die Hersteller das Hauptproblem in der Gefahr des thermischen Durchgehens. Lithium-Ionen-Batterien bieten zwar eine höhere Leistung und Energiedichte, erzeugen aber auch sehr viel Wärme, die bei unzureichender Kontrolle dramatisch ansteigen und schlussendlich ein thermisches Durchgehen zur Folge haben kann. Dies wiederum kann dazu führen, dass die Batterie in Brand gerät oder sogar explodiert. Neben erheblichen Schäden am Fahrzeug kann dies auch die Sicherheit der Fahrzeuginsassen gefährden.
Eine besonders wichtige Anforderung an Dichtungsmaterialien, die in Batterien für Elektrofahrzeuge eingesetzt werden und zum umfassenden Wärmemanagement beitragen, ist die Feuerbeständigkeit. Mit der Weiterentwicklung der Batterien haben sich auch die Brandschutzvorschriften geändert. Heutzutage müssen moderne Batteriedichtungen die Klassifizierung V0 erreichen. Das bedeutet, dass die Materialien selbstverlöschend sind und einer Brandeinwirkung für eine bestimmte Zeit standhalten können.
Die organischen Elastomere, die bei Standarddichtungen verwendet werden, sind jedoch von Natur aus leicht entflammbar, weshalb zum Erreichen einer hohen Feuerbeständigkeit beispielsweise feuerhemmende Zusätze oder Beschichtungen eingesetzt werden müssen.
Die vier wichtigsten Feuerbeständigkeitsprüfungen
Die physikalischen Eigenschaften von Kautschukmischungen wie Zugfestigkeit, Dehnung und Druckverformung sind relativ einfach zu bewerten und zu vergleichen. Eine quantitative Prüfung der Feuerbeständigkeit gestaltet sich hingegen schwieriger. Darüber hinaus sind die Prüfungen mit gewissen praktischen Schwierigkeiten und potenziellen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken verbunden.
Dennoch haben sich einige wichtige Prüfungen herauskristallisiert, welche unterschiedliche Informationen über den Werkstoff liefern und zu einem Gesamtüberblick über dessen Feuerbeständigkeit beitragen.
#1
Sauerstoffindex (LOI)
Definitionsgemäss bezeichnet der Sauerstoffindex (LOI) die minimale Sauerstoffkonzentration eines Sauerstoff-Stickstoff-Gemisches, unter dem die Verbrennung eines Werkstoffs anhält. Er wird in Volumenprozent Sauerstoff angegeben. Werkstoffe mit einem LOI-Wert unter 21 % gelten als brennbar, da ihre Verbrennung bei Umgebungstemperatur ohne externe Energiezufuhr aufrechterhalten werden kann. Materialien mit einem LOI-Wert über 21 % werden als selbstverlöschend eingestuft. Je höher der Prozentwert, desto höher ist die Feuerbeständigkeit.
Bei der Prüfung wird eine Materialprobe senkrecht in einem stehenden Glasrohr gehalten, das von unten nach oben von einer Sauerstoff-Stickstoff-Mischung durchströmt wird. Die Probe wird von oben entzündet. Dann wird das Brandverhalten der Probe beobachtet, um die Brennbarkeit durch Vergleich der Brenndauer bzw. der Länge der abgebrannten Probe innerhalb bestimmter Grenzwerte zu bestimmen. Die Prüfung wird bei verschiedenen Sauerstoffkonzentrationen durchgeführt, um die Mindestsauerstoffkonzentration zu ermitteln.
#2
Maximale gemittelte Wärmefreisetzungsrate
Eine differenziertere Prüfung der Feuerbeständigkeit ist der MARHE-Test (Maximum Average Rate of Heat Emission). Er liefert wichtige Informationen über das Brandverhalten eines Werkstoffs. Bei der Prüfung wird eine Materialprobe erhitzt. Es werden dann Gase in einer bestimmten Zusammensetzung freigesetzt. Diese Gase werden durch einen elektrischen Funken entzündet. Die dabei austretenden Gase werden aufgefangen und über ein Belüftungssystem abgeführt. Durch Messung der Gas-Art, der Durchflussrate und weiterer Parameter kann die Wärmefreisetzung im zeitlichen Verlauf berechnet werden.
Der Vorteil des MARHE-Tests besteht darin, dass die Wahrscheinlichkeit einer Brandentstehung unter realen Bedingungen gemessen werden kann. Zusammen mit der Prüfung der Wärmefreisetzungsrate (ARHE-Test) wird der MARHE-Test dazu genutzt, das Verhalten des Werkstoffs in der Endanwendung präzise vorherzusagen und der Materialwissenschaft Daten für Korrelationen oder mathematische Modelle zu liefern.
#3
UL 94
UL 94 ist eine bekannte, stark nachgefragte Prüfung der Feuerbeständigkeit, die Dätwyler intern durchführen kann. Sie besteht aus zwei Hauptkomponenten: der Horizontalbrennprüfung (HB), mit der die Geschwindigkeit der Flammenausbreitung gemessen wird, und der Vertikalbrennprüfung (VB), mit der die Selbstverlöschungsfähigkeit eines Materials bewertet werden. Während die HB-Prüfung weniger anspruchsvoll ist und selbst Standard-Elastomerformulierungen sie bestehen, stellt das Bestehen der VB-Prüfung hingegen eine grössere Herausforderung dar und erfordert normalerweise spezielle Entwicklung.
Bei der VB-Prüfung wird eine Materialprobe in eine feuerfeste Stahlhaube eingespannt und für einen Zeitraum von zehn Sekunden einer Flamme ausgesetzt. Wenn die Probe Feuer fängt, wird die Zeit gemessen, die sie weiterbrennt-. Dies ist die «Nachbrennzeit 1». Anschliessend wird die Probe erneut beflammt und die Brenndauer der Probe erneut gemessen («Nachbrennzeit 2»).
Für die höchste Einstufung V0 muss die kumulative Nachbrennzeit bei 10 Proben insgesamt weniger als 10 Sekunden betragen. Dies bedeutet, dass die Proben entweder nicht brennen oder nur kurz nachglimmen dürfen und sofort wieder selbst erlöschen müssen.
#4
Spezielle Prüfungen
Neben den LOI-, MARHE- und UL 94-Tests gibt es eine Reihe spezieller Brandprüfungen. Rauch ist eine besonders gefährliche Begleiterscheinung von Bränden. Daher ist die Rauchdichte eine wichtige Messgrösse zur Bestimmung der Sicherheit eines Materials. Bei solcher Prüfung wird eine Probe in einer grossen Kammer verbrannt, durch die ein Lichtstrahl geleitet wird. Die Absorption des Lichts wird von Sensoren gemessen. Anschliessend werden die toxischen Rauchgase analysiert.
Weitere spezielle Prüfungen sind das Verbrennen von Kabelbündeln, um die Auswirkungen eines Brandes auf die elektrischen Leitungen in einem Gebäude zu messen, sowie der Isolationsintegritätstest, bei dem ein Kabel über einem Gasbrenner verbrannt und gleichzeitig mit Wasser besprüht wird, um die Sprinkleranlage eines Gebäudes zu simulieren.
Diese Tests bieten Herstellern und OEMs nicht nur die Gewissheit der Feuerbeständigkeit und Sicherheit, sondern ermöglichen ihnen auch die Entwicklung neuer Batterietechnologien, die den Sektor vorantreiben werden.
Autor
Dr. Ondrej Kysilka
Senior Manager Material Development